Morgen 3-2004
Holz und Holz und Holz
Das neue Verwaltungsgebäude der Bundesforste in Purkersdorf ist ein Beispiel für das „Recht der Menschen auf Schönheit
und Qualität"
Von Elfriede Bruckmeier
In der Wienerwaldstadt Purkersdorf befindet sich seit Mai 2002 die neue Verwaltungszentrale der Österreichischen Bundesforste. Wer viel mit der Westbahn fährt, konnte das Gebäude hinter dem Bahnhof Purkersdorf allmählich in die Höhe wachsen sehen und erfreut sich nun an dem eigenartig fernöstlichen Zauber der Fassade mit ihrem hellen Holzton. Im Winter verströmt der Bau noch zusätzlich eine behagliche Atmosphäre durch warmes Licht, das aus den Fenstern dringt. Obwohl es sich hier um den größten Büro-Vollholzbau Österreichs handelt, wirkt er leicht, fast transparent. Er fügt sich auch gut in das Ensemble mit der Josef Schöffel-Schule aus der Gründerzeit ein, dem ehemaligen Wasserschloß aus dem 12. Jahrhundert, der Pfarrkirche und einigen unaufdringlichen Neubauten.
SPIRITUELLER BAUM
Im Jahr 1999 haben die Architekten Herwig und Andrea Ronacher aus Hermagor in Kärnten den ausgeschriebenen Architekturwettbewerb gewonnen, was insofern eine gute Entscheidung war, als sich die beiden besonders dem Holzbau verschrieben haben. Denn ein solcher mußte es sein - nicht nur um das Kerngeschäft „Forstwirtschaft" des Unternehmens zu betonen, sondern auch deshalb weil man mit dem Holz als einem in Österreich reichlich vorhandener, immer wieder nachwachsenden Rohstoff positiv besetzte Begriffe wie Natürlichkeit, Bescheidenheit und Ökologie verbindet.
Die Bauweise mit massiven Außenwänden und Licht von oben folgt ebenso der Forderung nach Energiesparen wie jener nach Behaglichkeit. Das Architekten-paar studierte an der Technischen Universität Wien bei Ernst Hiesmayr, der ganze Generationen von Architekturstudenten fachlich und menschlich geprägt hat und noch heute, trotz seines fortgeschrittenen Alters, als Gewissen der planenden und bauenden Zunft fungiert.
Von 2000 bis 2002 wurde gebaut und es liegt vor allem in der Philosophie der planenden Architekten begründet, daß das Ergebnis zufriedenstellend ausgefallen ist. Credo von Ronacher & Ronacher ist es, Tradition mit Innovation, Spiritualität mit Technik und ökologische Anliegen mit Funktionalität zu verbinden. Außerdem wurde dem Gebäude eine gewisse fernöstliche Schlichtheit und Gelassenheit zur Zufriedenheit der über 100 Angestellten des Betriebes, aber auch der Besucher und der Bewohner der Stadt Purkersdorf beigegeben.
Bei einer Führung kann sich der Besucher über die wichtigsten Gestaltungsmerkmale informieren. Den Eingang erreicht man über eine geschwungene Brücke, die einen Teich überspannt. Hier und in der kleinen Parkanlage ist der Einfluß fernöstlicher Tradition am meisten spürbar. Hat man das Gebäude betreten und den dunklen Eingangsbereich mit wenigen Schritten durchmessen, so öffnet sich die „„helle Mitte", das Atrium mit Glasdach, das als kommunikativer Wintergarten, als Wärmespender, Wärmespeicher und Wärmeverteiler konzipiert wurde. Leider ist die Ausstattung mit Pflanzen derzeit noch etwas dürftig. Von diesem Ort aus kann man als Besucher eine gute Übersicht gewinnen und sich orientieren. Ringförmig um das Atrium gruppieren sich auf vier Ebenen die Büroetagen, erreichbar über eine schön geschwungene Treppe oder mit dem Lift. Die weißen Wandflächen der umlaufenden Galerien hat eine Wiener Kunsthandlung mit Bildern namhafter Künstler versehen.
Vor dem Lift ist die Baumscheibe eines gefällten Baumriesen in den Steinboden eingelassen - als spiritueller Mittelpunkt des Gebäudes. Rechts davon wurde das mehr als zehn Meter hohe Objekt „Schutzmantel" der aus Finnland gebürtigen Künstlerin Leena Naumane installiert - eine Fachjury unter Vorsitz von Gerbert Frodl, Direktor der Österreichischen Galerie Belvedere, hat sich bei einem geladenen „Kunst am Bau"-Wettbewerb dafür entschieden. Leena Naumanen arbeitet in ihren Wand- und Raumgestaltungen mit alten Holzschindeln, die sie in Finnland auf Deponien oder an Abbruchhäusern findet. Diese Schindeln werden in kleinste Holzpartikel zerlegt und mit Schnur oder Draht verwebt. Aneinandergereiht und auf Reifen montiert, ergeben die gewebten Elemente eine runde Säule, die von der gläsernen Decke über alle vier Stockwerke herabhängt. Das Objekt, das je nach Verwitterungsgrad des Holzes von grau über gelb, hellbraun und rosa bis rot schimmert und im wechselnden Licht immer wieder neu erlebt werden kann, nimmt einerseits den Rhythmus der freistehenden Rundholzsäulen, die die transparente Dachkonstruktion des Atriums tragen, nochmals auf und gemahnt andererseits zusammen mit der Baumscheibe auf dem Fußboden an das Leben der Bäume, ist also Symbol der Tätigkeit der Bundesforste aber auch autonomes abstraktes Kunstwerk.
PUBLIKUMSMAGNET
Während ihrer Tätigkeit in diesem Haus, beim Zusammenbau und der schwierigen Montage des Werkes hatte Leena Naumanen Gelegenheit, sich von der guten Atmosphäre innerhalb der Belegschaft zu überzeugen. Da alle Wege in diesem Bau an der „hellen Mitte" vorbeiführen kam es immer wieder zu Begegnungen mit den Angestellten und die Offenheit und Wißbegier der Menschen hat die Künstlerin sehr bewegt.
Daß alle technischen Möglichkeiten einer ökonomisch sinnvollen und ressourcenschonenden Klimatisierung angewendet wurden, versteht sich von selbst. Man entdeckt aber auch Details, die auf den ersten Blick nur gestaltende Merkmale sind und doch auch Naturschutzcharakter haben. Beispielsweise sind die vielen Fenster in jeweils fünf Felder unterteilt, es gibt also keine großen Glasflächen. Hier muß kein einziger Vogel sein Leben lassen, und auf die an vielen modernen Bauten angebrachten häßlichen Raubvogelsymbole kann verzichtet werden. Viele Glaswände gibt es dagegen im Inneren, und zwar als Abtrennung zwischen den einzelnen Arbeitsbereichen. Diese lassen das Tageslicht frei fluten, schaffen aber trotzdem ein gewisses Maß an Privatheit.
Spektakuläre Einzelleistungen internationaler Architekturstars haben zweifellos ihre Berechtigung als Signale und Publikumsmagnet. Für Bauwerke des täglichen Lebens, in denen sich arbeitende Menschen wohl fühlen sollen, sind gewagte Experimente dagegen denkbar ungeeignet. Wer die Verschwendung von Ressourcen, aber auch von Gestaltungselementen bekämpfen möchte, bedient sich der klaren Sprache einer modifizierten Moderne - und das ist gut so. Er denkt an die Benutzer der Gebäude, schöpft aus der örtlichen Bautradition, mißt der Funktionalität einen hohen Stellenwert bei und nutzt Innovationen vor allem im Bereich der Konstruktions- und Haustechnik. Was aber nicht heißen soll, daß die Schönheit auf der Strecke bleibt. Donald Judd sagte einmal: Es gibt ein Recht des Menschen auf Schönheit und Qualität". Und wenn man diese Maßstäbe anlegt, kann man das Verwaltungsgebäude der Bundesforste in Purkersdorf als überaus gelungen bezeichnen.