Gut Gasteil 2016
“Lebenswege” von Leena Naumanen
Licht und Witterung hinterlassen im Verlauf der Zeit ihre Spuren. Leena Naumanen hat diese eindrucksvollen Zeichen auf den Dachschindeln ihrer finnischen Heimat entdeckt und zum Grundmaterial für ihre Holzobjekte und Bilder gemacht. Sie erzählt damit Geschichten vom Leben - von seiner Vergänglichkeit, seinen Wurzeln und seinen Möglichkeiten, und setzt der Schnelllebigkeit der Gegenwart den Rhythmus der Natur entgegen. Auch ihre fein gestrichelten Federzeichnungen mit Aquarell kennzeichnet ein stark rhythmisches Geschehen, das sich in seiner Vielschichtigkeit erst bei näherer Betrachtung offenbart - und dann fesselt.
Zeit spielt nicht nur als Thema sondern auch in der von ihr entwickelten aufwendigen Technik der Verarbeitung eine wesentliche Rolle. Während der schöpferische Grundakt in einer meist spontanen Kulmination stattfindet, nimmt sie sich für die handwerkliche Umsetzung Zeit - viel Zeit und Zeit für Kontemplation.
Leena Naumanen studierte in den 70er Jahren an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien unter anderem bei Martha Jungwirth, webte zuerst Textil und kam dann auf die Idee Holz zu verweben: Die sorgsam zerteilten und aufgespalteten finnischen Dachschindeln mit ihrer rauen, fasrigen, gesplitterten Oberfläche wurden in eine neue Struktur gebracht. Mit den von den langen Sonnentagen und den nicht minder langen Tagen der Finsternis nördlich des Polarkreises mit Schnee und Kälte geprägten Holzteilen setzt sie ihre meist elementaren Themen in scheinbar weitgehender Abstraktion um. Gleichzeitig findet sich darin ein geradezu archaisches Wiederkennen der Natur und der Naturgewalten, bringen die in vielen erdfarbenen Schattierungen naturgefärbten Bilder und Objekte tiefliegende Erinnerungen zum Schwingen. “Es ist einfach ein Lebensweg”, sagt Leena Naumanen.
In ihren neuen Arbeiten setzt sie die Schindelteile mit Leim auf den Untergrund: Dicht an dicht, mit farbigen Akzenten in Ölfarbe oder ganz naturbelassen auf den leicht gewölbten Lindenblock oder auch mit Zwischenräumen auf die zuvor mit Ölkreide und Pastell bemalte Fläche. Das Licht, das schon zuvor das Ausgangsmaterial geformt hat, bekommt hier noch einmal eine wichtige Rolle. Die Plastizität, die Licht- und Schattenwirkung wird zum Akteur in diesem Spiel der Wahrnehmung und Assoziation.
Johann Berger und Verena Kienast